Gruss vom Säntis
Nicht nur das Alphorntrio «Gruss vom Säntis» schickt Grüsse vom Alpstein ins Unterland, sondern auch die Abendsonne via Säntis.
Armin Günter
In meiner Stube hängt ein wunderbares Ölgemälde des Künstlers Fritz Hug. Dieses durfte ich vor 2 Jahren erben und zeigt das Appenzellerdorf Schwellbrunn. Im Hintergrund wacht der mächtige Säntis über die Heimat meiner Grossmutter. Vor kurzem war ich in Abtwil und machte anschliessend einen Abstecher nach Schwellbrunn. Dieses höchst gelegenen Dorf des Kantons Appenzell-Ausserrhoden war auch der Sommerferienort in meiner Jugend, wo mir mein Ferienfreund Koni zeigte, dass man die vom Morgentau kalten Füsse in einem frischen Kuhfladen wärmen kann.
Auf dem kleinen Kirchenvorplatz setzte ich mich auf eine Bank und schaute Richtung Säntis. Eine kleine rundliche Schwellbrunnerin, nennen wir sie Babette, wie meine Grossmutter «Bronners-Babette» hiess. Sie kam mit einer vollen Einkaufstasche aus dem nahen Dorfladen und fragte ob der Platz neben mir noch frei sei. Sie setzte sich und erklärte mir, dass sie hier immer eine Sitzpause mache. Der Rücken sei eben «nomme alls.» Genau so ging es eben auch mir. Jetzt, im milden Abendlicht zeigte der Berg die Gräte und Strukturen der Gesteinsschichten. Meine Grossmutter erklärte mir. dass auf dem Säntis ein riesiger Mann liege und schlafe. Rechts sei der Kopf mit der Nase und links streckt er die Füsse gegen die Ebenalp. Nur die glänzende Bergstation der Schwebebahn störte heute das mystische Bild etwas. Es erinnerte mich an ein Erlebnis vor mehr als 30 Jahren. Und diese Erinnerung teilte ich mit Babette, welche sich wunderte und sich vergnügt verabschiedete.
Damals lebten wir im Zürcher-Unterland, in Dielsdorf, am Fusse der Lägern. Unsere Wohnung hatte eine riesige Terrasse und Fenster nach drei Seiten. Am Abend, nach einem sonnigen Herbsttag, lag das ganze Zürcher-Unterland im blauen Abendschatten . Im Büro, dessen Fenster nach Osten schauten, wollte ich noch etwas erledigen. Ich wunderte mich, dass Licht durch den Türspalt in den Gang drang. Als ich die Tür öffnete, erstrahlte fast der ganz Raum im Abendlicht. Auf 140 km Distanz spiegelte das Glasfenster der Säntisbahn die Abendsonne und warf ein Sonnenviereck auf unsere Hausfassade und in mein Büro. Innert 5 bis 10 Minuten wanderte die Erscheinung auf der Fassade, und verschwand, so lautlos wie sie gekommen war. Ein Gruss vom Säntis!
Armin Günter
armin.guenter@bluewin.ch