
Wohnungssuche ü70
Leserbrief von Dora Surber zum Artikel «Hürdenlauf». Wohnungssuche älterer Menschen im ZSS-Magazin «Wir Senior:innen», Nr. 2/2023

Die Leserbriefschreiberin Dora Surber schildert ihr hartes Schicksal bei der Wohnungssuche. Sie musste als Seniorin ihre Eigentumswohnung verkaufen, weil die Bank die Hypothek nicht verlängern wollte, hat dabei viel Geld verloren und sucht nun, bisher ohne Erfolg, eine neue Wohnung. Hier ihre Geschichte:
Mit Interesse habe ich Ihren Artikel über die Wohnungssuche im Alter gelesen. Ich bin seit März dieses Jahres selber von diesem Problem betroffen und suche als 72 jährige Hundebesitzerin, die von AHV und Ergänzungsleistungen (EL) leben muss, verzweifelt eine bezahlbare Wohnung. Das Problem begann schon viel früher. Mit 48 Jahren – nach meiner Scheidung – kaufte ich mir eine Wohnung in Brütten. Ich war damals Berufsschullehrerin und Schulleiterin und mein Lohn war so hoch, dass mir die Bank gerne eine Hypothek verkaufte. Doch mein Glück dauerte nicht lange: Die Zahl der Berufsschüler/innen ging zurück, und ich musste mir eine neue Stelle suchen, die ich auch auf Empfehlung sofort fand. Nach zwei Jahren fand dann der Rektor, eine Zusammenarbeit mit mir sei ihm nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten. Trotz der Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen, der Schülerinnen und Schüler und dem Beiziehen eines Anwaltes wurde mein Lehrauftrag nicht verlängert. Ich musste gehen, mir eine neue Stelle suchen – mit 55 Jahren. Doch ich hatte schlechte Karten: ich war zu teuer (höchste Lohnklasse), und man zog Studienabgänger vor, die in der niedrigsten Lohnklasse die gleiche Arbeit erledigen wie ich. Also Arbeitslosenunterstützung. Der Berater vom Arbeitsamt zwang mich dann in die Selbstständigkeit (ich hatte noch eine Ausbildung als Ethologin und Hundetrainerin), und ich gründete eine Hundeschule. Am Anfang lief die sehr gut, und ich war dank der obligatorischen Hundekurse sehr gut ausgebucht. Allerdings verdiente ich nur noch halb so viel wie vorher als Berufschullehrerin. Dazu kam noch, dass ich nur noch die AHV bezahlen konnte und keine 2. und 3. Säule mehr.
Die Bank gibt keine Hypothek mehr
Als ich dann meine Hypothek mit 62 Jahren erneuern musste, fand die Bank, die Alterssicherheit sei nicht gewährleistet und gab mir keine Hypothek mehr, obwohl ich mir den Zins von 1,3% für die nächsten zehn Jahre locker hätte leisten können. Also musste ich meine Wohnung verkaufen. Ich fand dann einen Käufer, der mich als Mieterin weiterhin in der Wohnung leben liess, allerdings bezahlt ich nun 1850 Franken Miete statt 850 Franken Hypothekarzins. Zudem musste ich die Wohnung für einen tieferen Preis verkaufen, als ich dafür bezahlt hatte – heute ist sie doppelt so viel wert!
Anfang dieses Jahres bekam ich dann die Kündigung, weil der Eigentümer die Wohnung verkaufen will. Dank der Erstreckung von zwei Jahren habe immerhin genügend Zeit, eine geeignete Wohnung zu finden. Nur: wo? Nach den gängigen Regeln der Vermieter darf meine Wohnung höchstens 1100 Franken kosten, denn mehr Einkommen habe ich nicht (AHV und EL) und mein Kapital ist auch aufgebraucht. Natürlich habe ich mich sofort bei der Gemeinde gemeldet, denn die besitzt Alterswohnungen und andere Liegenschaften. Allerdings dürfen die Wohnungen im Moment nicht vermietet werden: Zuerst müssen die Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden!!! Und für eine Alterswohnung muss ich warten, bis jemand wegzieht, und das kann dauern.

Erfolglose Wohnungssuche
Auch wenn ich im Umgang mit dem Internet versiert bin, habe ich keine Chance, eine passende Wohnung zu finden, jedenfalls nicht über ein Maklerbüro. Ich habe schon etliche Bewerbungen geschrieben, die aber zum Teil gar nicht beantwortet wurden, oder aber der Bescheid war negativ: zu alt, zu wenig Einkommen, Haustiere sind bei uns nicht erlaubt. Und ich möchte ja auch nicht irgendwo hinziehen, denn nach einem Vierteljahrhundert fühle ich mich meiner Gemeinde verbunden. Ich habe hier viele Bekannte, meinen Hausarzt, der Zahnarzt, die Dentalhygienikerin und die Frauenärztin sind in der Nähe. Ich weiss, wo ich mit meinem Hund spazieren kann, wen ich wann wo treffe auf dem Spaziergang und oft ergibt sich dann auch ein kleiner Schwatz oder eine gemeinsame Wegstrecke. Für mich sind diese Dinge wichtig, denn ich habe keine Geschwister, keine Kinder, also auch keine Grosskinder und auch keinen Partner, mit dem ich einen Neuanfang wagen könnte. Zudem habe ich hier die Möglichkeit, noch ein wenig Geld zu verdienen als Hundetrainerin oder mit Nachhilfestunden, da mich die Leute kennen und auch weiterempfehlen.
Gesund, aber ohne Geld
So habe ich mir das Altern nicht vorgestellt! Zum Glück bin ich körperlich gesund und dank meinem Hund auch fit. Aber ohne Geld ist alt zu werden ist alles andere als lustig: Konzert- und Theater Abo, Musikunterricht, Tanzunterricht, Weiterbildung an der Uni, auswärts essen mit Kolleginnen und Kollegen, Ferien, Wochenendausflüge: alles gestrichen! Und nun muss ich noch aus meiner Wohnung, die ich selber eingerichtet habe, die mir bis jetzt das Leben lebenswert gemacht hat, in der ich mich geborgen und wohl fühlte. Eine Wohnung im Alter zu finden ist eine Sache, aber dann auch noch aus dem Paradies vertrieben zu werden, das zieht einem den Boden unter den Füssen weg.
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