4 min 11. Mrz 2025 Berichte

Möglichst lange jung bleiben – oder selbstbewusst älter werden?

So lautete der Titel der ZSS-Veranstaltung vom 25. Februar. Langlebigkeit und Altersverhinderung sind Themen, welche unsere Gesellschaft, und nicht zuletzt auch unsere ZSS-Mitglieder beschäftigen.

Text: Barbara Neff

Bereits kurz nach 13 Uhr treffen erste Seniorinnen und Senioren im Alterszentrum Hottingen ein, und bis 14 Uhr sollte sich der Schulthess-Saal mit knapp 60 Teilnehmenden gut füllen. Die meisten sind mit Zug und Tram angereist. Einige wanderten sogar zu Fuss die letzte Wegstrecke hoch. Ob diese Senioren wohl einen Schrittzähler installiert hatten – um gleich auch überprüfen zu können, ob die 10’000 Schritte pro Tag erreicht und der persönliche Beitrag zum Jungbleiben geleistet wurden?
Geht es im Referat darum, wie wir uns im Alter geistig und körperlich fithalten? Nein, stellte unser Referent, Dr. Heinz Rüegger, freischaffender Theologe, Ethiker und Gerontologe, fest. Im Zentrum stehen heute die zwei Mega-Trends: Longevity (lange leben wollen) und Anti-Aging (nicht alt sein wollen) einerseits, und Aspekte eines selbstbewussten Alterns andererseits.

Haben wir in der Schweiz auch die „Quelle der Jugend» entdeckt?
In den USA ist das Geschäft mit der Langlebigkeit längst angekommen. Auch in der Schweiz? In St. Moritz fanden sich kürzlich Gäste aus 15 Ländern, darunter eine Delegation aus Saudi-Arabien, Forschende, Investoren, Startups sowie auch ein indischer Guru zu einem ersten Kongress zur Langlebigkeit ein.
Auch in Zürich kennen wir bereits Longevity-Centers, ja sogar eine Walk-in-Longevity-Klinik. Länger leben, das ist der Traum vieler – und ein Versprechen der lukrativen „Longevity-Szene».
Aubrey de Grey, ein britischer Bioinformatiker und einer der radikaleren Vertreter der „Longevity-Community» sagt etwa, der erste Mensch, der 1000 Jahr alt werde, sei bereits geboren. Der Bioinformatiker will Schäden am Körper reparieren, um den Alterungsprozess umzukehren. Seine Forschung ist sehr umstritten.

Altern ist zu bekämpfen, zu verhindern
Das sind die Ziele des zweiten Mega-Trends „Anti-Aging». Die Buntheit an entsprechenden Strömungen ist kaum zu überbieten: Schönheitschirurgie, eine Vielzahl medizinischer Disziplinen, Kosmetik, Diätetik, Gerontobiologie, Esoterik und vieles mehr.
Viele von uns sind überzeugt, Altern sei pathologisch und sollte nicht stattfinden. Dieter Hildebrand, deutscher Kabarettist und Buchautor drückte es so aus: „Im Prinzip ist Altwerden bei uns erlaubt, aber es wird nicht so gern gesehen.»
Der Slogan „Forever young» ist gemäss Rüegger eigentlich unsinnig, heisst dies doch, man bleibe in der Entwicklung auf dem Stand eines jungen Menschen.

Warum haben wir negative Altersbilder?
Wie der Referent ausführt, fehlt in unserer Gesellschaft ein differenziertes Bild über das Alter. Es wird oft als belastende Hochaltrigkeit betrachtet. Altern steht für den Prozess des Abbaus, des Verlusts, der Fragilität. Man fürchtet eine Abhängigkeit von fremder Hilfe/Pflege und den näher rückenden Tod.
Dahinter steht eine Jugendlichkeits-Ideologie. Diese verunmöglicht es, das Potenzial des Alters zu entdecken und auszuschöpfen.

Was aber heisst nun „selbstbewusst Altern»?
Heinz Rüegger skizziert verschiedene Aspekte eines selbstbewussten Alterns:

  1. Das Alter(n) bejahen, so wie es z.B. Hermann Hesse ausdrückt: „Um als Alter seinen Sinn zu erfüllen und seiner Aufgabe gerecht zu werden, muss man mit dem Alter und allem, was es mit sich bringt, einverstanden sein.
    Man muss Ja sagen.»
  2. Möglichkeiten des Alters nutzen und geniessen. Loslassen von Meinungen, Positionen, Sachen. Dinge nehmen akzeptieren können, wie sie sind. Nicht primär auf Leistung setzen. Aufwerten des einfachen Daseins vor dem Tun.
  3. Neue soziale Rollen einüben, z.B. Verzicht auf Macht und Einfluss.

Fazit des Referenten
Älter wird man von selbst. Wie man älter wird, hängt von einem selbst ab. Zentral ist die Grundhaltung: nicht jung bleiben wollen, sondern sich weiterentwickeln und bewusst älter werden.
Dazu die passende Aussage von Wilhelm Schmid, Philosoph und Verfasser zahlreicher Bücher zur „Lebenskunst»:
„Ich will keiner von den Alten sein, die um den Preis der eigenen Lächerlichkeit jung bleiben wollen. Statt alle Kräfte im Kampf gegen das Älterwerden zu verpulvern, will ich lieber das in die Falten eingegrabene Leben selbstbewusst vor mir hertragen. Leben zu lernen mit dem eigenen Altern wird zur neuen Aufgabe – eine Kunst des Älterwerdens, um mit diesem Prozess zu leben, statt dagegen anzuleben.»

Ein spannender Vortrag endet und regt zum intensiv geführten Meinungsaustausch unter den Zuhörerinnen und Zuhörern an.
Man hätte den Worten des Referenten noch länger lauschen mögen. Doch im schön hergerichteten Foyer des AZ Hottingen erwartet ein kleiner Umtrunk die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie setzen sich an die verschiedenen Tische, geniessen ein Glas Wein und tauschen sich mit Bekannten oder eben gerade neu kennengelernten Seniorinnen und Senioren bis in den späten Nachmittag aus und diskutieren das soeben Gehörte. Dabei lautet die am meisten geäusserte Meinung: „Zwar geistig und körperlich aktiv bleiben, aber nicht mehr das Jungsein als höchstes Gut ansehen.»

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